FrameMeme

Wagenknecht: dümmste Regierung Europas

Sahra Wagenknechts Rede am 8.9.2022 hat wieder die Gemüter erhitzt. Eine Einschätzung:

Framing/Metaphern/Werte:

Am mächtigsten war der folgende Satz: "Aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht, ja wie bescheuert ist das denn?"

Hier wird eine recht clevere Verbindung geschaffen zwischen den Sanktionen (personifiziert als Bestrafung Putins) und ihrer Behauptung der Nutzlosigkeit dieser Sanktionen, konkretisiert auf die in Armut gestürzten Familien. Das hat schon Wumms.

Ansonsten beachtenswert:

  • Bürger/-innen und mittelständische Unternehmen (KMUs) werden gleichgesetzt
  • KMUs werden vermenschlicht
  • Bürger/-innen und KMUs leiden, haben Angst, stürzen ab
  • Zukunft = Angst, Explosion, Horror, Arbeitslosigkeit, Zerstörung
  • eingebrochener Gasverbrauch [wie Kind auf vereistem See], dramatischer Rückgang
  • Ruin von Familien und KMUs
  • Frankreich ist für Preisdeckel nicht erst nach Brüssel gefahren und hat lange Verhandlungen geführt [--> das sind Macher, die sind stark, die müssen nicht verhandeln, denn verhandeln und Kooperation sind Zeichen von Schwäche. Das ist dieselbe Antwort wie von Bush damals zum Irakkrieg: "We don't need a permission slip [from the UN]"]
  • beispielslosen Wirtschaftskrieg vom Zaun zu brechen
    • --> so stark wie noch nie, und Deutschland hat angefangen
  • Angst, Leid, Explosion, Horror und Drama trifft aber auschließlich deutsche Personen und KMUs
    • entsprechende Gefühle der ukrainischen Bevölkerung werden nicht erwähnt (das ist angesichts der sehr starken Bildsprache inkl. Kriegssprache wie Explosion besonders spannend)
  • Keinerlei Werte wie Solidarität, Empathie, Fürsorge usw., interessanterweise auch nicht ggü. der deutschen Bevölkerung!
  • "natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen" ist die einzige Anerkennung des außenpolitischen Kontexts in der ganzen Thematik, und ist fast gar nicht geframt

Insgesamt ist das vom Framing/ vom Wertediskurs her klar rechts: Wenn man nur Ängste anspricht, ohne Lösung oder einem Wertevorschlag wie Fürsorge für die Betroffenen, dann führt Angst zu verringerter Empathie ggü. den Nicht-Zugehörigen zur Gemeinschaft, und das sind in diesem Falle die Menschen in der Ukraine. Deren Leid wurde nicht erwähnt. Dabei wäre das ja genau das Kernthema der Linken: Wie können wir jenseits von Nationalismen den Menschen helfen, dort wie hier? Da wäre ja eine Menge Raum auch für inhaltliche politische Forderungen von links, jenseits von Waffenlieferungen.

In der Form wie oben argumentiert aktuell auch die AfD: Wir müssen uns um unsere Probleme kümmern, was geht uns fremder Leute Elend an.

Insgesamt deute ich das, so, dass sich als Politikerin positionieren möchte, die die Sorgen des kleinen Mannes ernst nimmt. Das kann man machen, und gerade die Linke kriegt das ja sonst oft nicht hin, aber als Linke muss man dann trotzdem bzw. besonders dann ethisch links argumentieren. "Wir müssen den Menschen helfen, die unter den hohen Energiepreisen leiden! [Lösungsvorschlag hier einfügen]". Oder eben eine nicht-militärische Alternative anbieten, um den leidenden Menschen in der Ukraine zu helfen. Oder wenigstens als Opposition einen Narrativ finden, wie man Empathie für diese wie jene hinbekommt, so dass Deutschlands Proletariat nicht gegen das Proletariat der Ukraine ausgespielt werden kann. Da schafft Wagenknecht mit ihrem Ansatz leider das Gegenteil; sie macht eine klare Trennung zwischen uns und denen auf.